Stefan Ranftenberg ist ein Mensch, der seinen Erfolg gerne zeigt: Sein Mercedes-Coupé wurde mit allen Extras geliefert, seine Sprüche waren schon immer recht vollmundig und seine Anzüge durfte der Schneider ebenfalls etwas auffälliger gestalten. DURFTE. Denn davon abgesehen, dass er als Arbeitsloser keine Anzüge mehr braucht, könnte er sich ohnehin keine Maßkleidung mehr leisten. Schließlich musste er auch seinen Mercedes schon vor einiger Zeit verkaufen. Außerdem hätte der Schneider mittlerweile auch mehr Arbeit, denn Stefans Bundweite hat sich in den letzten Jahren immer mehr seiner Körpergröße angenähert.
Was sich jedoch nicht geändert hat, ist seine große Klappe. Von dieser macht er mehr als ausreichend Gebrauch, wenn er mit anderen Menschen bei einem Glas (oder mehreren Gläsern) Riesling zusammensitzt. So auch neulich, als er davon erzählte, dass ihm sein Onkel Willi 5 Millionen Euro vorschießen würde, damit er wieder voll durchstarten könne. Dass sein Onkel diese Mitteilung schon kurze Zeit später als unwahr bezeichnet hat, macht Stefan nichts aus. Schließlich ist er ein stolzer Mann, der sich von solchen Kleinigkeiten nicht aufhalten lässt . . .
Angenommen, deine Aufgabe wäre es, Herrn Ranftenberg zu einem erfolgreichen Menschen zu machen, was würdest du tun?
Vermutlich würdest du erst einmal danach sehen, worauf seine früheren Erfolge basiert haben. So dass du feststellen kannst, wo du mit deinem Coaching am besten anfängst. Sicher würdest du auch seine finanzielle Situation unter die Lupe nehmen, damit du herausfindest, wo sich Einsparungen vornehmen lassen. Und vielleicht würdest du auch überlegen, wie du Stefan im positiven Sinne unter Druck setzen kannst, damit er einen zusätzlichen Grund hat, selbst aktiv zu werden.
Nun stellst du jedoch folgendes fest:
Dass seine früheren „Erfolge“ nur daraus bestanden haben, Geld auszugeben, das ihm andere Leute auf Grund seiner übertriebenen Versprechungen geliehen haben. Dass also das Einzige, was er sich noch sparen könnte, sein großes Gerede ist. Und du erkennst, dass der Versuch, Stefan unter Druck zu setzen, höchstens dazu führen würde, dass er noch bockiger wird und noch wildere Versprechungen macht, die er nicht halten kann.
Hierbei stoßen wir auf eine verblüffende Erkenntnis:
Dass es egal ist, ob es sich im obigen Fall um einen einzelnen Menschen oder um ein ganzes Land handelt. Denn egal, ob Stefan oder Stefanos; ob 5 Millionen oder 5 Milliarden; ob Riesling oder Retsina; ob Onkel Willi oder Onkel Vladimir:
Eine Person (oder eine Nation), die finanziell am Straucheln ist und bisher noch kein funktionierendes Verdienstsystem hatte, kann nicht durch Druck, Einsparungen und durch Wegnahme bisheriger Leistungen wieder auf die Beine kommen. Vor allem dann nicht, wenn es finanziell an allen Ecken und Enden klemmt.
Soll dies nun eine Rechtfertigung für Pleite-Personen oder für Pleite-Nationen sein? Nein. Es geht hier auch nicht um Rechtfertigung. Es geht um Verständnis. Denn wer kein Verständnis für die Partner in seiner Gruppe hat, deren finanzielle Selbstsicherheit am Ende ist, verfällt gerne in Stammtischparolen der folgenden Art:
„Der soll hat mit dem Weintrinken aufhören – dann hätte er auch das Geld für das Starterpaket!“ Oder: „Wenn der mehr Sport treiben würde, dann wäre er nicht so dick und hätte auch mehr Energie!“ Oder: „Der soll einfach mehr Leute ansprechen – dann würde er auch mehr verdienen!“, usw.
Klar, hört sich in der Theorie logisch an. Funktioniert aber in der Praxis so gut wie nie. Denn eine Person (oder eine Nation), die gerade nur so über die Runden kommt, ist so sehr mit dem Stopfen von Löchern beschäftigt, dass sie keine geistige (und seelische) Kapazität für eine größere Vision übrig hat. Und unter diesem Druck bzw. mit einem solch mageren Selbstvertrauen ist eine Wende aus eigener Kraft fast unmöglich.
Gelingen kann eine Wende aber durch drei Dinge:
- Durch eine (zumindest grundlegende) finanzielle Absicherung
- Durch ein funktionierendes Geschäftsmodell
- Durch den Anreiz, dieses Geschäftsmodell auch erfolgreich umzusetzen
Können wir also lediglich durch Sparzwänge und zusätzlichen Druck für Erfolg sorgen?
Vermutlich nicht. Stefan und Stefanos brauchen einerseits finanzielle Unterstützung, aber gleichzeitig auch den Aufbau eines funktionierenden Geschäftsmodells. Denn weder das eine noch das andere ergeben für sich alleine einen Sinn: Stefanos einfach nur mit weiteren Milliarden ruhig zu stellen, wäre ähnlich, als ob wir einen Wasserhahn in der Wüste aufdrehen, ohne die Basis für einen fruchtbaren Acker zu haben. Genauso sinnlos ist es jedoch auch, Stefanos unter Druck zu setzen, dass er erst einmal selbst für diesen Acker sorgen soll, bevor wir ihm weiteres Wasser zur Verfügung stellen.
Aber: Wir können durchaus mit Druck (bzw. einem zusätzlichen Anreiz) arbeiten – wenn wir zuvor für Sicherheit UND ein funktionierendes Geschäftsmodell sichergestellt haben.
Was hat das mit unserem Network-Geschäft zu tun?
Es mag schon sein, dass unser arbeitsloser Bekannter oder unsere alleinerziehende Cousine dringend Geld brauchen. Und daher einen Anreiz hätten, mehr Geld zu verdienen. Aber wenn wir ihnen kein funktionierendes Geschäftsmodell zur Verfügung stellen, werden der Anreiz (und auch die finanzielle Absicherung in Form von Arbeitslosengeld oder Unterhaltszahlungen) ungenutzt versickern.
„Ja, aber Robert – ich biete meinen Interessenten doch ein funktionierendes Geschäftsmodell! Also sind doch alle drei Kriterien gegeben, oder?“
Nicht in jedem Fall. Denn die Tatsache, dass wir für eine funktionierende Network-Firma tätig sind, bedeutet noch nicht, dass wir auch ein Geschäftsmodell anbieten, das für unseren Partner funktioniert.
Warum dies – auch in einer guten Network-Firma – immer wieder vorkommt? Und wie du diese Aufgabe löst?
Darüber sprechen wir nächstes Mal: „Das Problem der norwegischen Fischfabrik.“
Bis dahin wünsche ich viel Erfolg,
Dein Robert Pauly
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